offenkundig

Offene Software ist wie ein Haustier. Sie braucht viel Zuneigung, gibt dir ein gutes Gefühl, und im unpassendsten Moment macht sie auf den Teppich.

Ein bisschen was für unterwegs

Vielleicht habt ihr’s gemerkt: Bisher ging es hier vor allem um freie und offene Software auf PCs. Dabei wurden die 2017 erstmals von Smartphones überholt, wenn die Verfügbarkeit der beiden Gerätearten verglichen wird – Tendenz weiter steigend. Wie sieht es also aus mit freier und offener Software auf dem smarten mobilen Endgerät?

Schauen wir zunächst auf die Betriebssysteme (OS), also die Software, die uns die zeitraubenden kleinen Dinger überhaupt starten lässt: Den mobilen Markt beherrschen zwei OS: Googles Android und Apples iOS. Ein Indikator für die Verbreitung der beiden sind die Verkaufszahlen von Telefonen, die mit ihnen ausgeliefert werden: Das Verhältnis oszilliert rund um ein Fünftel für iOS und sagenhafte vier Fünftel für Android. Vernachlässigen wir mal die 20% iOS-Nutzenden und konzentrieren uns auf Android, das OS mit dem fröhlichen grünen Roboter.

Die gute Nachricht ist, dass Android im Kern freie Software ist, die auf dem Linux-Kernel aufbaut. Doch die schlechte Nachricht folgt sogleich: Nicht nur die Markenrechte liegen bei Google, sondern auch ein Großteil der Entwicklung von Android erfolgt durch Google und in deren Interesse. Das hat zur Folge, dass das standardm#ßig ausgelieferte Android voller nicht-freier Bestandteile ist und jede Menge Funktionalitäten besitzt, die von Google kontrolliert werden und die dazu führen können, dass Google sogar Endgeräte kontrollieren kann, indem es beispielsweise Apps deaktiviert oder sogar deinstalliert. Googles Android kommt mit einer ganzen Reihe an Apps und Diensten, die nicht deinstalliert werden können bzw. deren Nutzung nicht optional ist – ohne diese Dienste funktionieren viele Apps schlicht nicht. Da Google auch den Android Playstore, also den Ort, an dem Apps heruntergeladen werden können, kontrolliert, kann Google auch die Entwicklung von Alternativen innerhalt seines Ökosystems unterdrücken. Und es kommt noch besser: Auch viele Smartphone-Hersteller (also die, die die Hardware produzieren) statten ihre Geräte mit einem an die jeweilige Hardware angepassten Betriebssystem aus, dem sie selbst noch eigene Apps hinzugefügt haben. Das Problem daran ist: Wenn sich beispielsweise Samsung entscheidet, ein bestimmtes Smartphone-Modell nicht weiter zu unterstützen und sein Betriebssystem nicht mehr aktuell zu halten, werden diese älteren Geräte schnell unsicher, weil selbst bekannte Sicherheitslücken nicht geschlossen werden.

Ein Zwischenfazit: Das verbreitete Android ist zwar im Kern freie Software, seine Entwicklung wird aber so von Google dominiert und an den Konzern gebunden, dass die EU-Kommission kürzlich sogar eine Kartellstrafe in der Rekordhöhe von 4.3 Milliarden Euro verhängt hat. Gütesiegel: Nicht empfehlenswert.

Sind wir also alle verloren? Nein. Zum Glück gibt es gleich mehrere Möglichkeiten, wie wir unsere allgegenwärtigen kleinen Begleiter, die Smartphones, ein wenig freier machen können. Die Free Software Foundation Europe (FSFE) hat hier mögliche Schritte zusammengestellt, von einzelnen Programmen bis hin zu ganzen Betriebssystemen. Hier ist mein persönlicher Erfahrungsbericht mit einzelnen Dingern:

F-Droid

F-Droid ist ein App Store, also eine Alternative zu Googles Playstore. In ihm gibt es ausschließlich Apps, die einer freien oder offenen Lizenz stehen und die deshalb auch auf die meisten Google-Dienste verzichten. F-Droid läuft auf dem Standard-Android; wenn euch also ein Wechsel des Betriebssystems zu drastisch erscheint oder ihr erst einmal ausprobieren wollt, was das FOSS-Universum mobil so zu bieten hat, dann ist ein erster Schritt vielleicht, F-Droid zu installieren und bevorzugt darüber eure Apps zu beziehen. Die Auswahl ist kleiner als im Playstore, und was fehlt, sind die großen Apps kommerzieller Anbieter, wie Instagram oder Whatsapp. Gerade in diesem Bereich zeigt sich, was es bedeuten kann, auf FOSS umzusteigen: Es kann zur (digitalen) Isolierung gegenüber Freundeskreisen führen. Ich selbst bin mit F-Droid inzwischen sehr happy, es gibt dort sogar einige Apps, die der Playstore nicht hat - zugegebenermaßen liegen die am nerdigeren Ende des Spektrums.

Yalp

Yalp ist für die kleine Sünde zwischendurch: Ihr wollt eigentlich den Playstore nicht nutzen, aber diese eine wichtige App braucht ihr doch? Dann kann euch vielleicht der Yalp-Store helfen. Er erzeugt immer neue Google-Accounts und lädt die Installationsdatei (genannt .APK) herunter. Aber Vorsicht: Da viele Apps, nicht nur im Playtore zu haben sind, sondern auch für die Ausführung auf Google-Dienste zurückgreifen, kann es sein, dass einzelne Apps zwar heruntergeladen werden, aber nicht funktionieren. Yalp nutze ich nur noch, um das Sprachlernprogramm Duolingo auch mobil nutzen zu können.

LineageOS

Für die Wagemutigen unter euch ist auch ein Schritt zu einem Alternativ-Android möglich. Am weitesten Verbreitung hat LineageOS, eine freie und offene Android-Version ohne Googledischnack. Lineage gibt es für eine beeindruckende Menge an Geräten. Wie oben beschrieben, unterscheiden sich die verschiedenen Smartphone-Modelle in ihren Hardware-Komponenten teilweise so stark voneinander, dass jedes Modell sein eigenes maßgeschneidertes OS benötigt. Das ist natürlich ganz schön aufwändig, deshalb gibt es nicht für alle Smartphones auch die geeignete Lineage-Version. Lineage war für mich nicht ganz einfach zu installieren, weil in der Beschreibung ein paar grundlegende Schritte fehlten oder nicht ausreichend erklärt waren. Deshalb gibt es offenbar ab und an Veranstaltungen unter dem Schlagwort “Free your Android”: Da könnt ihr unter Beisein von erfahren(er)en Leuten Lineage installieren und gleich nachfragen, falls euch etwas nicht ganz klar ist. Aktuell habe ich keine “Free your Android”-Events gefunden – sollte mensch mal wieder aufleben lassen, oder?

Open GApps

Von hinten durch die Brust ins Auge: Wer ein Nicht-Google-Android (also z.B. Lineage, aber auch viele andere) nutzt, aber bestimmte Google-Dienste braucht, hat die Möglichkeit, mit der Installation von Open GApps von Google bereitgestellte Dienste wieder zu integrieren. Eine zeitlang habe ich Open GApps gebraucht, weil die Messaging-App Signal sonst keine Pushnachrichten verschicken konnte (sprich: es hat nicht gepiepst, wenn eine neue Nachricht kam, sondern ich musste selbständig die App öffnen und nachgucken). Inzwischen kann Signal das aber, und ich komme ohne Open GApps klar.

MicroG

Bisher nur auf meiner Beobachtungsliste ist MicroG. Das Projekt möchte existierende, proprietäre Google-Anwendungen oder Programmbibliotheken (das sind Sammlungen von Hilfsmodulen, auf die Anwendungen zurückgreifen, um zu funktionieren) unter freier Lizenz nachbauen. Das führt im besten Fall dazu, dass weniger Daten über Google-Dienste laufen, weil es freie Alternativen gibt. Super!

Was also lernen wir daraus? Mobiles Leben ohne Google-Dienste ist möglich und sogar sinnvoll.